Zu einen der ersten Dinge,
die man tut wenn man in eine neue Stadt zieht, gehört es meist, die nähere
Umgebung zu erkunden. Also habe ich die Chance genutzt und eine Tour mit
einigen Damen aus unserem Compound in unsere direkte Nachbarschaft gemacht. Bis
jetzt war ich ja immer in Ländern bzw. Städten, in denen Armut und schlechte
Wohn- und Lebensverhältnisse kein großes Thema waren oder nicht unbedingt
sichtbar für einen Ausländer wie mich.
Heut war ich doch
schockiert, wie man eben auch leben kann und ich habe mich einmal mehr privilegiert
und stinkereich gefühlt. Diese Wohngegend, die wir heut besucht haben, liegt
quasi direkt um die Ecke von unserem „Luxuscompound“ in dem es ca. 400 Häuser
gibt, die Wohnflächen von schätzungsweise 200 bis 500 qm haben. In dem jeder
seine eigene Ayi (Haushälterin und Nanny) beschäftigt und der Großteil der dort
lebenden Menschen auch einen Fahrer zur Verfügung hat. Nicht zu vergessen, die
vielen Angestellten für die Sauberhaltung der Straßen, Gärten, Grünflächen usw.
Außerdem gibt es noch jede Menge Bauarbeiter, da ständig neue Häuser gebaut
oder alte saniert werden.
All diese Leute müssen ja auch irgendwo wohnen.
Sicher, nicht alle leben in solchen extremen Verhältnissen, wie wir sie dort gesehen
haben aber doch gibt es sie, in dem Viertel sogar geschätzte 7000. Diese
Wohngegend und viele mehr sind wohl wild gewachsen und somit illegal aber
geduldet. Da wird sich eben ein Dach über dem Kopf aus dem zusammengezimmert,
was an Material vorhanden ist.
Am Schlimmsten finde ich aber den ganzen Müll
überall. Alles wird gerade da entsorgt, wo es nicht mehr gebraucht wird. Eine
staatliche geregelte Müllabfuhr gibt es offensichtlich nicht. Aber da viele
oder die meisten Chinesen noch kein Bewusstsein für die Umwelt entwickelt haben
und sicher noch nie etwas von Umweltschutz gehört haben, ist es ihnen auch völlig
egal, dass sie mitten in Dreck, Schrott und Abfällen hausen. Es existieren
Gemüseanbau und wilde Müllkippen friedlich nebeneinander, jeglicher Müll wird
in den Fluss entsorgt und niemanden juckt es.
In dem Wohngebiet stinkt es
schrecklich und dabei war noch ein guter Tag, da es geregnet hat und es nicht
so heiß war. Im Sommer muss der Gestank unerträglich sein. Was ich nicht
verstehe ist, dass man sich darüber keine Gedanken macht und es niemanden
stört. Gar nicht daran zu denken, was man sich noch so alles an Ungeziefer und
sonstigen Keimquellen heranzüchtet.
Es herrsch reges Leben auf der Straße und
es gibt alles, was ein Wohngebiet eigentlich so braucht: Gemüsehändler,
Lebensmittelläden, Friseurläden, Metzger, Straßenstände mit Essen aber alles
mitten im Müll! Sogar ein Rotlichtviertel gibt es. Aber da will ich gar nicht
ins Detail gehen. Ich glaube, an diesem verratzten und schmutzigen Ort an Sex
zu denken ist undenkbar. Es sei denn man kann schweben, ist blind, taub und hat
seinen Geruchssinn verloren.
Dabei sind die Leute, die dort leben nicht bettelarm,
es gibt genug zu Essen und man kann sich in diesem Wohnviertel auch frei
bewegen und muss keine Angst vor Übergriffen haben, alle sind nett, na ja
fast alle, aber es ist ihnen einfach völlig egal, wie sie wohnen und ob es
schmutzig ist. Sicher ist mein Sinn für Ordnung und Sauberkeit nicht auf die
komplette Welt anwendbar aber ich war ehrlich schockiert. So, aber genug davon,
es gibt auch schönere Ecken in Peking – davon ein anderes Mal mehr...